Wohin fliegt jemand mit dem Ziel Shanghai?
Einiges hat man gelesen, glaubt man zu wissen.
Aber im Flieger nach Shanghai zeigt sich dann der gewaltige Abstand zu Europa. Nach den Weiten Sibiriens, die sich in eine Nacht verhüllt haben, erscheint China zunächst als Wüste und leerer Raum.
Keines Menschen Seele, nur gelegentlich Andeutungen menschlicher Organisationsstrukturen wie Felder oder auch einmal ein Ort. Auch nicht ein kleiner Hinweis, dass es in das bevölkerungsreichste Land der Welt geht. Manchmal schaut es fast aus, als wär′ man auf dem Mond.
1,3 Milliarden Menschen und das Land ist so leer. Die Einsamkeit großer Teile Asiens übt eine große Faszination auf mich aus, obwohl ich oder vielleicht auch weil ich sie bisher nur aus der Luft gesehen habe.
Im Flugzeug ist alles ganz unprosaisch. Man erhält sein Frühstück und dann heisst es plötzlich "Anschnallen" und dann ist man da, erst auf einem langweiligen Flughafen - aller Flughafen der Welt sind in ihrer Monotonie langweilig. Nach einer längeren Taxifahrt von Pudong - Ich habe wieder nicht daran gedacht, mit der Magnetschwebebahn zu fahren - ist sie plötzlich da, die Metropole.
Auch wenn man schon weiss, was einen erwartet: Nach der Beschaulichkeit der Einsamkeit Innerasiens ist man in der Mitte einer pulsierenden Metropole. In ihrer Modernität ist sie amerikanischer als amerikanische Städte, einfach spektakulär an den Möglichkeiten moderner Baukunst orientiert.
Die zentralen Verkehrsströme werden über ein System von zwei Hochstraßen in Nord-Süd-Richtung und rechtwinklig dazu in Ost-West-Richtung geführt, die sich in einem Knoten, der vier Ebenen umfasst, kreuzen. Eine futuristische und beeindruckende Verkehrstechnik. Der Fahrer, der sich dieser Kreuzung nähert, kennt die Stausituation auf beiden Straßen und an allen Abfahrten im Zentrum, denn auf großen Anzeigetafeln sind sie für ihn sichtbar. Alle Taxifahrer, mit denen ich gefahren bin, sind den Empfehlungen dieser Tafeln gefolgt. Es scheint also zu funktionieren. Ein solch vollständiges Informationssystem für den Autofahrer lässt sich klammen deutschen kommunalen Kassen nicht entlocken. Bin ich in einem reichen Land?
Erdrückt diese gewaltige Anhäufung von Beton die Menschen. Es wird mir wohl verborgen bleiben, weil ich nur mit den wenigen reden kann, die englisch sprechen. Aber es schaut nicht so aus. Es zieht die Menschen in diese Stadt. Die Hochhäuser sind ein beliebter Wohnraum.
Und so habe ich mich gefragt, ob es das denn noch gibt, dieses alte Shanghai. Und ich habe mich auf die Suche gemacht.